Das Wichtigste in meinem Leben: Beziehung. In Beziehung treten… – klar, zur Außenwelt, in erster Linie zu anderen Menschen und ihren kreativen Erzeugnissen wie Texten oder Musik, aber auch zur Natur, Tieren und Pflanzen. Es sind Begegnungen, die mich nähren, sie generieren Wachstum und Entwicklung, fordern mich heraus und stellen mich vor immer neue Rätsel. Beziehungen zu anderen Menschen können mit sehr viel Glück, aber auch mit einem unglaublichen Maß an Schmerz verbunden sein.

Allerdings gehöre ich nicht zu den Menschen, die darauf abzielen, möglichst viele Bekanntschaften und Freundschaften anzusammeln. Qualität ist entscheidend – zumindest bei engeren Kontakten. Und auch wenn ich manchmal Menschen beneide, die den Small-talk beherrschen, da er zweifellos nützlich sein kann – für mich ist er einfach nur anstrengend. Belanglosigkeiten auszutauschen hat für mich nicht den geringsten Unterhaltungswert.

Zu den nährenden Beziehungen zählen natürlich in erster Linie eine erfüllende Partnerschaft und inspirierende Freundschaften. Aber – es geht mir hier auch um Begegnungen, die wir zumeist gar nicht unter diesen Begriff fassen – wie zum Beispiel die Begegnung mit einem Text, einem einzelnen Satz oder einer kreativen Wortschöpfung. Darüber hinaus will ich den Blick auf zeitlich eng begrenzte Kontakte lenken, die vielleicht nur Sekunden oder Minuten dauern und daher vom Status dessen, was wir als Beziehung bezeichnen, meilenweit entfernt sind. Und doch können sie so viel mehr in mir auslösen, als die viertelstündige Anstandskonversation mit meinem Nachbarn. Obwohl sie zum allgemein beklagten Freizeitstress in beträchtlichem Maß beitragen, wird dieser Art von Kontaktpflege – vom regelmäßigen Pflichttelefonat mit Verwandten bis hin zur Höflichkeits-Gegeneinladung irgendwelcher Bekannten – in unserer Gesellschaft große Bedeutung beigemessen, denn sie gilt als stabilisierender Faktor für das soziale Gefüge.

Ich dagegen behaupte: Wirklich essenziell für die Beziehungspflege (vielleicht sogar für das gesamte soziale Gefüge?) ist es, sich täglich immer wieder mit sich selbst zu verbinden. Damit pflege ich nicht einfach nur eigennützig die Beziehung zu mir selbst – nein, auch meine Außenkontakte gewinnen dadurch an Qualität und Tiefe. Denn: Ob der Kontakt zu Menschen gewinnbringend ist, hängt nicht nur von meinem Gegenüber ab – sondern auch davon, wie gut ich mit mir selbst im Kontakt bin, wie differenziert ich mich wahrnehme. Und: Um wie viel authentischer, befriedigender und erkenntnisreicher ist eine Begegnung mit einem Menschen, der gut mit sich selbst in Verbindung steht? Zugleich: Wie viel mehr Gewinn kann ich für mich aus einer Begegnung ziehen – und sei sie noch so ‚flüchtig‘ – wenn ich wahrnehme, was sie in mir auslöst?

Ich habe daraus ein Ritual gemacht: Morgens nach dem Aufwachen, und dann über den Tag verteilt immer wieder, bei jeder Zäsur, die der Tag mit sich bringt, und insbesondere bei jedem Start in potenziell herausfordernde Situationen, halte ich einen Augenblick inne, verbinde mich mit mir selbst und versuche bewusst zu spüren: Wie bin ich jetzt gerade hier?

Neuerdings hat mein Ritual auch einen Namen: „Relate first“. Diese Idee verdanke ich dem Sinnfinder von Schreibrausch. Er schreibt über sein Mantra „Create first“, und ich fand das toll: eine klare Priorität im Leben, ein nachahmenswertes Morgenritual, und das Ganze in einer griffigen Formel, die ein sehr brauchbares Hilfsmittel ist, um sich täglich an das wirklich Wesentliche zu erinnern.

„Create first“, Dein Mantra.

„Create First“ steht auf einem Zettel, der an meinem Badezimmerspiegel klebt. Er ist so ziemlich das Erste, was ich am Tag sehe und er erinnert mich: Kreative Beschäftigung ist die Nummer Eins in meinem Leben (na ja, nach der Partnerschaft) . 676 weitere Wörter

„Create first“, Dein Mantra. — Schreibrausch. Kreatives Schreiben.

Kreatives Schreiben – auch das ist für mich wichtig, hat aber weder oberste Priorität in meinem Leben, noch lässt es sich zurzeit in meine Morgenroutine integrieren. Meine Priorität ergibt sich ganz geradlinig aus meinem Wesen: Ich bin ein Beziehungsmensch, durch und durch. Und gerade weil Beziehungen für mich einen hohen Stellenwert haben, gerade weil ich so empfänglich bin für Schwingungen, die von außen kommen, ist das Motto „Relate first“ für mich von großem Nutzen. Einerseits drückt sich darin ein klares und bewusstes Ja zu meinem Lebensprinzip ‚Beziehung‘ aus, zugleich erinnert es mich kontinuierlich daran, mit mir selbst in Tuchfühlung zu bleiben, insbesondere in Situationen, die die Gefahr mit sich bringen, von äußeren Eindrücken überschwemmt zu werden. Die Beziehung zu mir selbst bildet die Grundlage für alle Kontakte zur Außenwelt und steht zugleich in einer Wechselwirkung zu ihnen, wird durch sie geprägt, erschüttert, gestärkt – und gelegentlich auf eine harte Probe gestellt.

Die Tuchfühlung mit der eigenen Mitte ermöglicht es, auch die feinen Resonanzen auf ‚flüchtige‘ Begegnungen bewusst wahrzunehmen und fruchtbar werden zu lassen. Manchmal handelt es sich dabei um Eindrücke, die ich kognitiv noch lange nicht vollständig einordnen kann, die erst noch in mir keimen müssen, bevor mir klar wird, was tatsächlich in mir in Bewegung gekommen ist. Auf jeder Stufe der Verarbeitung – vom Keimen bis zur vollen Entfaltung – hilft das kreative Schreiben. Doch auch hier bewährt sich für mich gerade in dem Moment, bevor ich den Stift zur Hand nehme: „Relate first!“ – um dann genau das zu Papier zu bringen, was in diesem Augenblick wirklich fühlbar ‚da‘ ist.

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